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9. Kapitel: Frafa entschlüsselt die Bibliothek

Noch ein Directors Uncut ... Irgendwann enträtselt Frafa die Geheimnisse von Aldungans Bibliothek unter der Sternenklippe, und im Buch erfährt man jetzt nur noch, wie sie es geschafft hat. In Wahrheit aber war der Weg dorthin von einigen Ablenkungen und auch Sackgassen geprägt, die ich am Ende alle herausgelöscht habe. Sie führen im Roman ja zu nichts.
  Wer allerdings doch noch ein wenig genauer an der allmählichen Verfertigung von Frafas Gedanken teilhaben möchte, der findet hier einen ausführlicheren Ausschnitt aus der letzten Szene des neunten Kapitels.

next07Auf eine gewisse unpersönliche Weise verrieten die Werke Frafa doch einiges: Es waren alte Schriften darunter, die außerhalb dieser Hallen vergessen waren, ebenso wie neuere Aufzeichnungen, die bis in eine Zeit vor dreihundert Jahren zurückreichten. Nichts, was neuer war. Damit ließ sich die Zeit eingrenzen, zu der zuletzt hier gearbeitet worden war.
  Etwa zur selben Zeit war Frafa in Daugazburg damit befasst gewesen, altes Schriftgut in den Nexus zu übertragen - Papier kam gerade aus der Mode, und die Vernetzung der Schriften in jener unermesslichen ätherischen Matrix versprach eine so viel sicherere Lagerung, einen besseren Zugriff, eine ungeheuere Erleichterung der Forschung. Fand sie nur deswegen keine neueren Bücher, weil an diesem Ort dasselbe geschehen war? Weil die Forscher, die hier gewirkt hatten, neuere Werke auch über den Nexus verwaltet hatten?
  Sie verwarf den Gedanken. Der Schnitt wäre nicht so unvermittelt gewesen. Man hatte nicht von einem Tag auf den anderen alles auf den Nexus umgestellt, nirgendwo. Selbst heute noch bestanden manche Magier darauf, ihre Gedanken ausschließlich zu Papier zu bringen, sie brachten Bücher heraus und vertrauten dem Nexus nicht. Sie hätte also zumindest einzelne Titel späteren Datums finden müssen.
  Nein, entschied Frafa: Was auch immer hier vorgegangen war, es hatte vor knapp dreihundert Jahren ein Ende gefunden, kurz vor Gründung der Union. Womöglich hatte man eben deshalb das Labor in Leuchmadans Hort verschlossen und geräumt - weil Aldungan wusste, dass er bald als Herrscher zurücktreten würde und weil dieser Ort auch nach seiner Zeit geheim bleiben und keine Aufmerksamkeit erregen sollte.
  Doch Frafa erfuhr nicht nur, wann hier zuletzt gearbeitet worden war - sie konnte auch schlussfolgern woran. In den Büchern ging es um Magie, die Magie des Lebens, und um das Blut der Erde. Das war nicht überraschend, wenn man die Natur dieses Ortes bedachte: All diese Grotten dienten nur dem Zweck, dem Blut der Erde nahe zu sein, mit ihm arbeiten und daran zu forschen. Hinzu kamen allerdings Bücher zu anderen Themen, die nicht so selbstverständlich waren: zur Dämonologie - und zur Herstellung von magischen Herzen.
  Allein aus dem Inhalt der Bibliothek schloss sie, dass die letzte Phase der Forschung an Leuchmadans Hort um die Unsterblichkeit gekreist hatte; um das Erschaffen magischer Herzen - und deren Bearbeitung.
  Frafa fiel es schwer, daran zu glauben. Sie blätterte weiter in den Büchern, suchte nach anderen Deutungsmöglichkeiten, als all ihre Intuition längst auf diese Schlussfolgerung wies, all ihre Erfahrung und sämtliche Kenntnisse, die sie als Dekanin der magischen Akademie von Daugazburg gesammelt hatte.
  Wer hätte hier an magischen Herzen forschen sollen, und warum?
  Aldungan hatte ein magisches Herz besessen, bevor diese Bibliothek eingerichtet worden war. Und nach ihm, soweit Frafa wusste, hatte kein Zauberer mehr erfolgreich eines geschaffen. Wem also hatte diese Forschung gedient?
  Auf diese Frage gaben die Bücher keine Antwort, und je deutlicher ihr das wurde, umso unruhiger wurde Frafa. Sie wanderte durch die Kammern des abgetrennten Bereichs, und immer wieder in die große Halle, an den Destillen, den Schmelztiegeln, den Messgeräten, den thaumteknischen Generatoren und magischen Apparaturen vorbei bis zu dem Becken an der Stirnseite des Raumes, wo die Decke fast den Boden berührte und die strahlenden Linien zusammenliefen.
  Die Quelle des Blutes, das Bassin, in dem das Blut der Erde an die Oberfläche kam, in trägen Blasen blubberte und zäh an der Rückwand hinabrann.
  Immer wieder starrte Frafa hinein, tastete behutsam mit ihren magischen Sinnen, zog sich wieder zurück. Es reizte sie, diese Substanz selbst zu untersuchen, zu ergründen, was einst andere hier erforscht hatten.
  Aber sie war nicht hier, um magische Forschungen zu betreiben. Sie war im Grunde nicht einmal hier, um zu erfahren, was die früheren Bewohner in diesen Laboratorien getrieben hatten. Sie war hier, um mehr über Aldungan zu herauszufinden, um zu ergründen, ob zwischen Aldungan und Leuchmadan eine Verbindung bestand. Was sie interessieren sollte, waren also nicht die letzten Arbeiten an diesem Ort, vor dreihundert Jahren - sondern was Aldungan bei seinem ersten Besuch hier getan hatte, mehr als ein halbes Jahrtausend davor.
  Sie durfte sich nicht ablenken lassen. Auch wenn sie sich der Welt entrückt fühlte, untergetaucht im entlegensten Winkel der Union, lief ihre Zeit ab. Wie lange würde es dauern, bis Aldungan hier nach ihr suchte ... wenn es Aldungan war, der ihr nachstellte? So vieles hing von Zusammenhängen ab, die sie nicht durchschaute, und wenn dieser Ort keine Antworten auf ihre Fragen bot, durfte sie nicht zu lange hier verweilen, sondern musste anderswo suchen.
  Dennoch zögerte sie.
  Was sie in der Bibliothek herausgefunden hatte, so vage es auch war, schien bedeutsam zu sein. Es war nicht einmal sicher, ob Aldungan bei den letzten Forschungen zugegen gewesen war, ob das, was sie hier herausfand, für ihre gegenwärtige Lage von Interesse war.
  Und doch, es war merkwürdig, und das allein machte die Sache schon interessant: Eine Forschung an magischen Herzen, zu einer Zeit, da alle, die Frafa mit diesem Ort in Verbindung bringen konnte, bereits über ein magisches Herz verfügten, zu einer Zeit, da diese Kunst als verloren galt ...
  Das erweckte ihre Neugier, und sie wollte gerne daran glauben, dass sich dahinter eine Antwort auf ihre Fragen verbarg, weil sie andernfalls dieses Rätsel ungelöst zurücklassen musste. Und ein Rätsel war es.
  Sie dachte an Aldungans Versuche, sie selbst zur Prägung eines magischen Herzens zu bewegen ...

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