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14. Kapitel: Bistes Enthüllungen

In diesem Kapitel erfahren die Gefährten so einiges (also, höchste Spoilergefahr!). Aber nicht nur das: In der ursprünglichen Fassung haben sich die Gefährten noch lange über das unterhalten, was sie erfahren haben; sie haben ausgebreitet, was sie davon halten, und der Wichtel hat noch ein paar Verschwörungstheorien ergänzt. Also: eine Menge Geplänkel und Erklärungen zu Dingen, die man im Buch auch an anderer Stelle erfährt.
  Da ich der Ansicht war, dass man nicht alles doppelt und dreifach erzählen muss, habe ich hier also einmal gekürzt. Ein paar Details fallen dabei sicher unter den Tisch, und darum mag der Leser nun selbst entscheiden, ob sie wichtig waren oder tatsächlich entbehrlich.

next07»Gulbert!«, rief Frafa. Sie ballte die Faust. Konnte das sein?
  »Gulbert«, wiederholte Barsemias.

Barsemias war außer sich. Die dumpfe Müdigkeit, die als Nachwirkung der Betäubung auf ihm gelastet hatte, verschwand. Er schaute von dem Wichtel zu Frafa und wieder auf den Wichtel und wusste nicht, was er glauben sollte.
  »Es gibt Stimmen im Äthernetz«, sagte Biste, »die sind der Ansicht, dass Gulbert bei allem seine Hände im Spiel hat, was die Stimmung zwischen der Union und den Elfen verschlechtert und den Boden für einen Krieg bereitet. Ich meine, jeder weiß, dass Gulbert diesen Krieg will, aber sonst kaum jemand in der Union. Ein Zauberer wie er kann leicht Jahre investieren, um die öffentliche Meinung zu verändern. Erst langsam und unmerklich, um sie dann, im geeigneten Augenblick, durch gezielte und große Aktionen vollends kippen zu lassen.«
  »Wir müssen nach Hause«, sagte Barsemias. »Wir müssen meine Leute warnen.«
  »Eine gute Idee«, erwiderte Biste. »Bestimmt warten deine Leute schon darauf, dass du ihnen das große Geheimnis enthüllst. Das große Geheimnis, das man überall im Äthernetz nachlesen kann. Du kommst nicht zufällig aus demselben Tal wie diese Gnome? Ihr Elfen habt auch keinen Zugang zum Nexus?«
  »Natürlich kommen wir in den Nexus!« Barsemias fuhr auf. »Wir brauchen nicht einmal Geräte dafür ... viele von uns jedenfalls nicht. Aber was hat das ...«
  Frafa legte ihm die Hand auf den Arm. »Biste hat Recht«, sagte sie. »Wir haben deinen Leuten nichts Neues zu erzählen. Sie kennen diese Gerüchte längst, und entweder nehmen sie es ernst - oder es wird sie auch nicht beeindrucken, dass wir jetzt auch noch einen Wichtel getroffen haben, der ebenfalls die Gerüchte im Äthernetz gehört und uns davon erzählt hat. Wir haben keine neuen Beweise. Nur die üblichen Gerüchte, wie sie seit Jahren erzählt werden.«
  »Aber du glaubst daran?«, fragte Barsemias.
  Frafa schaute unsicher in den Raum hinein, wich allen anderen aus.
  »Es würde passen«, sagte Barsemias.
  »Es gibt so viele Leute im Äthernetz, die zu viel Zeit haben und zu viel Fantasie.« Frafas Stimme klang abwesend, und sie blickte immer noch niemanden an. »Sie sitzen im Nexus beisammen und denken sich Geschichten aus. Sie können sehr überzeugend sein, denn diese Leute feilen lange daran und suchen sich ihre Informationen so zusammen, wie sie ihnen gerade passen.«
  »Es passt zusammen!«, rief Barsemias. Er sprang von der Luftmatratze auf, lief im Zimmer umher. »Ich kenne die Elfen von Flascale, und ich glaube eher die Geschichte dieses Wichtels als daran, dass sie ihren Wald für einen sinnlosen Angriff missbraucht haben. Womöglich hast du Gulbert und Aldungan gerade in dem Augenblick belauscht, als sie ihre Verschwörung geplant haben. Könnte das nicht erklären, warum sie dich nun verfolgen?«
  Biste schaute bei diesen Worten auf. Seine Augenbrauen hoben sich, und er musterte Frafa mit neuem Interesse.
  »Du kennst die Elfen von Flascale«, sagte Frafa. »Aber ich kenne Aldungan. Gulbert mag einen Krieg mit den Elfen befürworten, aber Aldungan hat keine solche Interessen.«
  »Wie kannst du so sicher sein?«, erwiderte Barsemias. »Gulbert spricht seit Jahrhunderten von diesem Krieg und Aldungan niemals. Aber womöglich ist Aldungan einfach schweigsamer als Gulbert, und er war ein Feind der Elfen, lange bevor er sich mit Gulbert vereinte.«
  Barsemias stellte sich genau vor Frafa, vor diese Nachtalbe, die fast wie eine Elfe aussah. Die helle Haut, das goldene Haar - wenn man nicht genau hinschaute, konnte man fast vergessen, wen man vor sich hatte. Das irritierte ihn. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er die Albe anders wahrnahm, nicht nur ihr Äußeres.
  »Überleg einmal«, fuhr er fort. »Eine Verschwörung dieser Größenordnung, um wie viel leichter wäre sie durchzuführen, wenn die beiden mächtigsten Politiker der Union sich dazu verabredet hätten? Wenn wir dich zu meinen Leuten bringen und du ihnen deine Geschichte erzählst, bist du womöglich der beste Beweis für das, was der Wichtel behauptet!«
  Frafa drehte sich von ihm fort. »Ich weiß nicht«, sagte sie leise. »Wenn diese Geschichte wirklich stimmen sollte ... Ich glaube nicht, dass dein Volk mir dann bereitwilliger Zuflucht gewährte.«
  »Warum nicht?« Barsemias war verblüfft. »Du weiß viel über unsere Feinde und kannst eine wertvolle Hilfe sein.«
  »Oder sie werden umso leichter glauben, dass ich gefährlich bin. Dass ein Verrat dahintersteckt. Der Elfenwald ... Flascale. Wenn es kein Anschlag war, waren sie Opfer. Sie starben, als sie sich nur gewehrt haben!«
  »Es war ein Akt grausamer Bosheit, dass der Wald vernichtet wurde«, stimmte Barsemias ihr zu. »Aber wir kennen inzwischen Gulbert und seine Schliche: Eine solche Tat passt zu ihm. Aber es war nicht deine Verschwörung, nicht deine Tat. Mein Volk kann das unterscheiden. Wenn wir sie davon überzeugen können, dass Gulbert und Aldungan die Verantwortung tragen, und dass du ein Opfer derselben Intrige geworden bist, dann werden wir dich gewiss nicht im Stich lassen.«
  »Ich ...«, sagte Frafa, und das Wort hing einen Augenblick unschlüssig in der Luft. Dann fuhr sie fort: »Ich fühle eine Präsenz. Die beiden Gnome kommen zurück.«
 
  Frafa atmete auf, als Wisbur und Segga hereinkamen. Sie brauchte einen Augenblick, um nachzudenken, doch gerade in diesem Augenblick gab es keine Ruhe. Sie würde sich noch die Zeit nehmen, um Bistes »Theorie« zu überprüfen. Und ihre eigenen Erinnerungen. Sie war ja dabei gewesen, und sollte sie da nicht am besten wissen, was geschehen war?
...
Wir müssen zusehen, dass wir aus dem Tal rauskommen.«
  »Hat die Polizei hier denn Odontopter?«, fragte Frafa.
  »Nein«, sagte Wisbur. »Wir haben jedenfalls keine gesehen. Auch keine Luftwagen. Aber die Berge sind Grenzland, da ist mit Sicherheit ein Stützpunkt der Luftflotte in der Nähe.«
  »Was können wir tun?« Barsemias schaute ängstlich aus dem Fenster.
  »Tief fliegen und das Gelände nutzen«, antwortete Wisbur. »Die Berge sind auch das Land der vielen Täler. Ich denke, wir können uns durchschlängeln und irgendwo in der Ebene auftauchen, wo niemand uns erwartet.«
  Frafa blickte skeptisch drein. »Die Luftflotte war wochenlang hinter mir her, ein ganzes Schlachtschiff«, sagte sie. »Und sie wussten immer genau, wo sie mich finden.«
  Sie wandte sich an Biste, der eifrig auf einer Typotafel schrieb. »Genau wie ihr. Wie habt ihr das gemacht?«
  »Was?«, fragte der Wichtel abgelenkt zurück.
  »Woher wussten deine Freunde, dass sie mich hier erwischen können? Wir waren gerade mal einen Tag hier.«
  »Wie ich dich gefunden habe?«, fragte der Wichtel. »Ach, das war leicht. Ich habe einfach Aldungans Nexuskanal abgehört. Da hat er seinen Verbindungsleuten beim Generalstab regelmäßig deine aktuelle Position durchgegeben.«
  Er vertiefte sich wieder in seine Liste.
  Frafa saß da wie erstarrt. Die Flügel des Odontopters knatterten über ihrem Kopf, und der Lärm machte sie halb verrückt. Sie fragte sich, ob sie den Wichtel richtig verstanden hatte. In einem einzigen, lockeren Satz hatte er gleich drei Ungeheuerlichkeiten zusammengefasst.
  Aldungan lenkte die Luftflotte von Daugazburg.
  Dieser Wicht hörte Aldungans geheime Kommunikation ab.
  Und Aldungan wusste, wo Frafa sich aufhielt, obwohl sie längst alle Geräte losgeworden war, die sie mit ihrem alten Leben verbanden.
  Wie konnte das sein?
  »Wie ...« Frafa wusste nicht, was sie zuerst fragen sollte.
  Biste blickte wieder auf, erklärte beiläufig und schien in Gedanken immer noch bei seinen Aufzeichnungen zu sein. »Wir sind früh auf dich aufmerksam geworden ... Ich meine Zador. Da war eine fette Belohnung auf deinem Kopf. Zador träumte von einer Turbine für seinen 'topter, Rasca von einer Villa am Meer. Wir hätten uns alle zur Ruhe setzen können, wenn wir dich erwischen.«
  Er machte eine entschuldigende Geste mit seinem Stift. »Ich will nur sagen, Zador hat Druck gemacht. Ich dachte mir, Aldungans Assistentin - schauen wir doch mal, was der Alte dazu sagt - und zack! - Treffer! Auf einem seiner Nexusabschnitte wurde ich fündig. Schon vor Wochen. Aber in Falinga war dir die Luftflotte zu dicht auf den Fersen. In den Bergen verlor Aldungan dich aus den Augen, denn als er das nächste Mal deine Position meldete, warst du in Culecis.«
  »Moment«, sagte Frafa. »Er hat mich in den Bergen aus den Augen verloren? Wie findet er mich sonst?«
  Biste zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Er gibt seinen Verbindungsleuten nur die Position durch, aber er teilt natürlich nicht seine Geheimnisse des magischen Aufspürens mit ihnen.«
  »Ich wüsste nicht, wie er mich magisch aufspüren könnte«, sagte Frafa. »Und ich wüsste schon gar keinen Zauber, der ausgerechnet in den Bergen nicht mehr wirkt.«
  »Aldungan schon. Offenbar«, erwiderte Biste. »Vielleicht ist er darum ja dein Meister, und du warst seine Sekretärin.«
  Er duckte sich unter Frafas Blick und fügte rasch hinzu. »Ich verstehe natürlich nichts von diesen Dingen.«
  »Trotzdem«, sagte Frafa. »Das erklärt nicht, warum ihr so schnell hier wart. Noch vor allen Häschern, die Aldungan geschickt haben mag.«
  »Als du in den Bergen verschwunden bist, haben wir erwartet, dass du in Bitan wieder rauskommst«, erklärte Biste. »Und dann, hm, bekam ich einen Hinweis, dass wir dich in Culecis erwarten können. Von einem meiner Kumpels im Äthernetz - keine Ahnung, woher der seine Informationen hat, aber er behielt Recht. So waren wir näher dran als dieses Schlachtschiff, sobald Aldungan sich wieder meldete. Ein paar Stunden später waren wir da, und ein paar auffällige Fremde in dieser Stadt ... Nun, die fallen auf. Ob mit heller Haut oder mit dunkler.«
  Er musterte Frafas getarnte Erscheinung. Die fragte sich, wer dieser »Kumpel« war, der vor allen anderen gewusst hatte, wo Barsemias' Zauber sie hinführen würde. Wer weiß, was die Fatu so im Äthernetz treibt, dachte Frafa. Offiziell gab es keinen Zugang im Tal der Blumen, aber die Fatu war ein magisches Wesen und konnte mühelos auch ohne technische Hilfsmittel auf den Nexus zugreifen.
  »Aldungan ist mächtiger als du dachtest«, warf Barsemias ein. »Bestimmt hat er die Dämonen in die Polizeiwache geschickt.«
  »Dämonen?« Biste horchte auf. »Das hattest du mir ja noch gar nicht erzählt.«
  Frafa winkte ab. »Ich dachte, das wäre unmöglich in Bitan. Aber auf jeden Fall weiß er, wo ich bin.«
  »Dann müssen wir schnell sein«, sagte Wisbur. »Und mit dem Odontopter sind wir auf jeden Fall schneller im Elfenwald als ein Schlachtschiff.«
  »Außerdem sind wir in den Bergen«, gab Barsemias zu bedenken. »Der Wichtel meinte, Aldungan hätte Frafa in den Bergen aus den Augen verloren. Vielleicht sieht er sie jetzt auch nicht.«
  »Dann bleiben wir so lange wie möglich in den Tälern«, sagte Wisbur. »Segga, such uns eine Route nach Norden.«
  »Moment.« Segga hantierte umständlich mit der viel zu großen Karte.
  »Er hält sie verkehrt herum«, rief Waldron, der sich neben seinen Gefährten in die Kanzel gesetzt hatte. Er griff nach der Karte, und die beiden Gnome rangen miteinander. »Gib her, ich kann das besser.«
  »Gar nichts kannst du. Wisbur hat mich als Copilot mitgenommen.«
  Wisbur seufzte. »Passt bloß auf, dass wir nicht in eine Zwergensiedlung fliegen«, sagte er.
  Frafa blickte aus dem Seitenfenster und sah graue Berghänge und grüne Almwiesen. Gipfel schimmerten weiß über ihnen, getrübt vom Flirren der schlagenden Flügel. Ihr fröstelte. Sie fühlte sich beobachtet, und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, dass diese Flucht kein Ziel hatte, niemals ein Ende finden würde.
  Wenn sie die Grenzen der Elfenlande erreichten, was dann? Sie hatte selbst schon einen Elfenwald zerstört, und wer hinter ihr her war, ob Aldungan allein oder die ganze Macht der Union, war um so vieles mächtiger als sie.
  Wie konnte sie darauf hoffen, dass es einen Unterschied machte, wenn sie eine belanglose und ohnehin von Jahr zu Jahr wandernde Grenze auf der Landkarte überschritt?

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