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13. Kapitel: Frafas Flucht

Frafas Flucht von der Polizeistation war ursprünglich ein wenig detailierter beschrieben - wie genau sie sich den Weg zu Barsemias’ Zelle bahnt, und das Geplänkel zwischen den beiden. Nun kommen im Buch die Schnitte ein wenig früher. Die Einzelheiten, weitere Erklärungen und ein bisschen mehr zu den beiden Figuren liest man hier:

next07Frafa griff mit ihrer Essenz aus und prüfte die Fesseln. Das Polster der Liege war aus Formbein, die Gurte an Armen und Beinen bestanden aus Leder. Aber es war ein Metall darin eingearbeitet, und auch die lebenden Materialien lebten nicht mehr. Es war unsicher, sie zu beeinflussen, vor allem, wenn es schnell gehen sollte.
  ...
Frafa rammte ihre Essenz in den Kopf der Menschenfrau und schickte einen Schock durch all Synapsen. Die Frau brach zusammen und wand sich in Krämpfen auf dem Boden. Frafa schwang die Beine vom Bett.
  Sie trug selbst nur einen weißen Krankenkittel, doch der saß besser als das Kleid, das sie von den Gnomen bekommen hatte. Auf dem Korridor erschien ein Polizist und starrte entsetzt durch die Scheiben. Frafa schaltete ihn aus. Dann ließ sie ihre Essenz weit ausgreifen. Sie ertastete die Auren aller Menschen im Gebäude, schätzte an den Bewegungen ab, wo die Flure lagen und wo die Ausgänge.
  Die Menschenfrau wälzte sich noch immer epileptisch am Boden. Frafa stieg über sie hinweg und riss die Kabel aus allen Apparaten, die sie erreichen konnte. Das schrille Piepsen verstummte. Sie konzentrierte sich wieder auf die Auren in ihrer Umgebung, prüfte, wer sich auf sie zu bewegte, wer eine Bedrohung darstellte, wer in anderen Teilen des Gebäudes plötzlich aufgeregt wirkte.
  Irgendwo auf einem höheren Stockwerk brach ein Tumult aus. Ein halbes Dutzend Individuen saß dort eng beieinander, und ihre Auren flackerten mit einem Mal aufgeregt. Ein Überwachungsraum, eine Alarmzentrale? Frafa schickte ihre Essenz quer durch das Gebäude und schloss die Gehirne kurz. Die Auren, die sie fühlte, verfärbten sich, zerfielen zu zuckenden Sternenwolken. Womöglich verschaffte ihr das ein wenig Zeit.
  Ihre tastende Essenz fand es etwas anderes ...
  Frafa stutzte. Barsemias!
  Andererseits, damit hätte sie rechnen müssen: Natürlich hatte man auch ihre Begleiter festgesetzt! Frafa zögerte kurz. Dann beschloss sie, erst einmal diese Richtung einzuschlagen.
  Auf dem Flur ließ sie ihre Essenz wie eine Welle vor sich herlaufen. Sie konnte nicht jeden Einzelnen auf dieselbe Weise betäuben wie die Schwester, den Polizisten, die Beobachter im Obergeschoss ... Es waren einfach zu viele, um sich auf jede Aura zu konzentrieren und sie gezielt zu verändern. Aber  mit einem schwächeren, ungerichteten Essenzstoß konnte sie Nerven überlasten und Schmerz erzeugen, Schmerz, der stark genug war und jeden Widerstand brach.
  Sie hörte Schreie aus den angrenzenden Räumen und verschloss ihr Ohr dagegen und richtete alle Sinne auf ihr Ziel. Sie achtete nur darauf, dass niemand ihrem Zauber widerstand und ihr auflauerte.
  Sie befand sich in einer Art Krankenstation, ein langer Flur, Fensterfronten zu kleinen Behandlungsräumen. Am Ende gab es eine Art Sicherheitsschleuse, eine gepanzerte Tür mit Sichtfenster und einem Schaltpult für die Verriegelung. Ein weiterer uniformierter Polizist lag davor auf dem Boden und winselte. Sein Gesicht war rot angelaufen, er schnappte stoßweise nach Luft und hatte nicht mehr genug Atem um zu schreien. Seine verdrehten Augen konnten Frafa nicht halten, als sie sich neben ihm niederbeugte, mit spitzen Fingern die Pistole vom Boden fischte und sie irgendwo in das nächste Krankenzimmer warf.
  Ihr Verdacht bestätigte sich: Sie befand sich auf einer Polizeiwache, mit einem kleinen Zellenblock im Keller; kein richtiges Gefängnis, eher ein paar Zellen zur Ausnüchterung, Disziplinierung und Verwahrung. Vermutlich war sie immer noch in Altagrisa.
  Frafa legte den Hebel um, passierte die Sicherheitstür. Ihre Essenz erfasste die Gefangenen in den Zellen links und rechts des Korridors. Die Schreie wurden lauter. Einer der Eingesperrten hämmerte gegen die Tür, während sein Leib sich in unerträglichen Schmerzen schüttelte. In einer weiteren Zelle, die nur durch ein Gitter vom Flur getrennt war, sah Frafa einen bulligen Menschen, der in einer Ecke zusammengebrochen war. Ihm stand blutiger Schaum vor dem Mund und er grub die Fingernägel tief in seine Haut, um die schlimmeren Qualen von Frafas Zauber damit zu überdecken. Es war niemand mehr hier, der ihr gefährlich werden konnte.
  Frafa löste den Zauber, und es wurde still. Die Schreie verstummten, sanken zu einem Winseln herab. Schluchzen und Röcheln hallte durch die kahlen Gänge des Gefängnistrakts.
  Barsemias stand in einer weiteren Zelle mit Gittertüre und erwartete sie schon. Er sah blass aus, selbst für einen Elfen.
  »Wie bist du entkommen?«, fragte er. »Was hast du getan?«
  »Wo sind die Gnome?«, fragte Frafa zurück.
  Barsemias sah sie überrascht an. Er umklammerte die Gitterstäbe. »Wisbur und Segga warten mit einem Fahrzeug in der Seitenstraße.«
  Frafa schaute Barsemias an und hatte mit einem Mal den Eindruck, dass sie beide einander gerade überhaupt nicht verstanden.
  »Warten in einer Seitenstraße? Sind sie entkommen? Woher weißt du, was sie im Augenblick anfangen?«
  »Ach so.« Barsemias strich sich das Silberhaar aus der Stirn. »Nein, sie haben uns nicht alle zusammen eingesperrt. Ich habe mich später in der Stadt bei einem Diebstahl erwischen lassen, damit ich hier hereinkomme. Ich wollte dich befreien. Die Gnome holen uns ab, sobald wir rauskommen.«
  Frafa lachte unwillkürlich auf. »Das mit den Gnomen klingt vielversprechend. Aber wie du mich aus deiner Zelle heraus befreien wolltest, das musst du mir erst noch erklären.« Dann wurde sie ernst und musterte Barsemias genauer. »Was ist los mit dir? Du siehst krank aus. Ich hätte nicht gedacht, dass mein ungerichteter Zauber einen Elfen in Mitleidenschaft ziehen kann.«
  »Das ist es nicht«, sagte Barsemias niedergeschlagen. »Sie haben mir dieses Mittel gegeben, dasselbe wie dir. Mit dem man Zauberer außer Gefecht setzt. Darum sitze ich in der Zelle fest.«
  Frafa zuckte die Achseln. »Damit konntest du doch wohl rechnen.«
  »Ich dachte, sie benutzen es nur bei Zauberern. Sie wussten ja nicht, dass ich einer bin. Die Gnome haben mir nicht gesagt, dass jeder Elf vorsichtshalber damit behandelt wird.«
  »Nun, das war ja auch dumm.« Frafa musterte Barsemias spöttisch. »Sie hätten lieber mir etwas mehr davon gegeben, als es an dich zu verschwenden. Immerhin, ich muss mich bei euch entschuldigen. Ich war im Irrtum, als ich euch verließ: Ihr kommt ohne meine Begleitung doch nicht besser durch.«
  Sie streckte die Hand nach der Gittertüre aus, berührte das Schloss. Es war ein Schlüssel erforderlich. Stahl und Beton: Es gab keine Schwachstelle für ihre Magie.
  Barsemias trat einen Schritt zurück und brauste auf. »Wir haben versucht, dich zu befreien! Ohne dich wäre ich gar nicht in dieser Lage.«
  »Entbindet dich das von der Verantwortung, etwas Dummes getan zu haben?«, fragte Frafa. »Ich habe weder um die Hilfe gebeten, noch habe ich vorgeschrieben, wie ihr sie zu leisten habt.«
  Sie zögerte, besann sich und fügte dann hinzu: »Trotzdem, danke für den guten Willen. Ich hätte nicht damit gerechnet. Ihr schuldet mir nichts, und ich habe euch verlassen. Ich weiß nicht, warum du dich meinetwegen in diese Lage gebracht hast!«
  »Genau«, sagte Barsemias. Trotzig verzog er die Lippen. »Du hast uns verlassen. Aber ich bin ein Elf. Ich lasse meine Reisegefährten nicht im Stich. Wäre ich einfach weitergereist, dann wäre ich nicht besser als eine Nachtalbe!«
  »Na ...« Frafa trat ganz nahe an das Gitter, schob die Oberlippe vor und lächelte. »Dann verstehst du ja sicherlich, warum ich dich jetzt in der Zelle sitzen lasse. Immerhin bin ich eine Nachtalbe. Würde ich dich zu befreien versuchen, täte ich dasselbe wie du. Und dann hättest du gehandelt wie eine Nachtalbe, und damit will ich deine stolze Elfenseele nicht belasten.«
  Barsemias schaute sie entsetzt an, und Frafa lachte. »Keine Sorge, junger Elf, ich lasse dich nicht sitzen. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass man seine Worte womöglich ein wenig weiser wählen sollte. Du hättest auch einfach sagen können, dass du mich nicht meinem Schicksal überlassen konntest, weil ich so eine schöne Elfe abgebe.«
  Sie streckte Barsemias in einer eleganten Geste den Arm entgegen, warf das lange Haar zurück. Sie trug immer noch ihre notdürftige Tarnung.
  »Eine Haut, so weiß wie Schnee; die Haare honiggolden; der Leib schlank, anmutig und biegsam wie die Weidengerte ... Solche Worte hört eine Dame gern! Wenn du beim nächsten Mal aus dem Kerker geholt werden möchtest und einen guten Grund suchst, weshalb du dort hineingeraten bist, dann wärest du gut beraten, dich daran zu erinnern.«
  Barsemias errötete. »Ich hätte nicht gedacht, dass eine Nachtalbe den Caezo liest.«
  Frafa spitzte die Lippen, blinzelte verschwörerisch. »Ich habe das Buch gehasst, diese schleimigen Beschreibungen elfischer Schönheit. Caezo war ein Sonnenvölker-Chauvinist, und für die Nachtalben hatte er weniger schmeichelhafte Beschreibungen parat. Aber jetzt ...« Sie schaute ihre veränderte Haut an, strich damit über die langen goldblonden Haare. »... gefällt mir diese Erscheinung recht gut. Es ist ... eine Veränderung. Vielleicht bleibe ich eine Weile die schmucke Elfe, auch wenn die Verkleidung ihren Zweck überlebt hat.«
  »Du konntest dich von den Drogen befreien«, stellte Barsemias fest. »Wenn du meinen Leib auf dieselbe Weise reinigen kannst, bringe ich uns hier heraus.«
  Frafa dachte darüber nach. Es hatte Stunden gedauert, bis sie wieder in der Lage gewesen war, Magie zu wirken. Jetzt musste sie sich nicht länger auf Selbstheilungskräfte verlassen, sondern konnte die Zauber gezielt ausführen konnte. Das würde schneller gehen. Und doch ...
  »Es dauert zu lange. Da hinten liegt ein Polizist. Ich hole seine Schlüssel.«

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