libelle_klein

Deleted Scenes

next0520. Kapitel: Frafa sucht sich selbst

Nach Grefans Tod und Frafas Aufnahme in den Rat gab es noch eine Szene, in der Frafa in die Einsamkeit der verborgenen Kammer flieht. In erster Linie wollte ich in dieser Szene verdeutlichen, wie sich alles ändert - für Frafa, aber auch für Darnamur, dem langsam die Kontrolle entgleitet. Die politische Lage in der Stadt wird komplizierter, die Fronten verschwimmen und es wird schwer, alles zu dirigieren. In dieser Szene spitzt sich also ein Wendepunkt zu - doch was auch immer hier recht behäbig und sinnierend angesprochen wird, es wird später ohnehin immer deutlicher und vor allem mehr “in Action” zutage treten.
  Ich habe mich also entschieden, auf diese Szene zu verzichten.

Nach der Sitzung des Rates eilte Frafa zum Turm der Fei. Sie verkroch sich in der geheimen Kammer mit Leuchmadans Kästchen, die ihr zu einer Zuflucht geworden war. Sie schloss die Tür hinter sich, sah auf das silberne Artefakt hinab und setzte sich dann auf den Boden, so weit von dem Kästchen entfernt, wie es in dem winzigen Raum möglich war.
  Sie konnte jederzeit verbrennen!
  Hatte dieser Alb die Wahrheit gesprochen, oder nur maßlos übertrieben? Hatten Neid und Missgunst seine Worte diktiert? Frafa hatte erlebt, wie schon die Fälschung dieses Kästchens Bleidan und seine Freunde einander entfremdet hatte.
  Sie war aufgewühlt, viel zu aufgewühlt um sich jetzt der Macht des Kästchens zu stellen. Es war schwierig, die Kraft dort herauszulenken, ohne zu viel von der eigenen zu verlieren. Wie leicht war es hingegen gewesen, die Lebenskraft von diesem Grefan zu zerreißen!
  Macht bedeutet stets Macht über das eigene Volk.
  Frafa erinnerte sich an Bleidans Worte. Er hatte damit begründet, weshalb die Nachtalben die Macht des Lebens gering achteten. Aber offenbar konnte man, wenn man die Macht des Lebens beherrschte, auch die Lebenskraft eines Alben so zerschlagen, dass die eigene Magie sie nicht mehr heilen konnte. Dass im Gegenteil das Vergehen der Lebenskraft wie ein Brand selbst die magische Essenz verzehrte.
  Wenn man stark genug war. Wie stark musste man sein? Konnte Bleidan dasselbe? Konnte Meister Aldungan es? Frafa glaubte sich zu erinnern, dass sie von diesem Zauber schon gehört hatte: ein Zauber, der das Leben verzehrte und Leib und magische Essenz gleichermaßen verbrannte. Er sollte den mächtigsten Zauberern vorbehalten sein, Feien ... und anderen Wesen. Wie mächtig war sie selbst?
  Frafa saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt und starrte zu dem Kästchen hinauf. Sie war in letzter Zeit oft zu unkonzentriert gewesen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Niemand merkte es. Die Felder verdorrten sowieso. Sie schleuderte die Kraft des Kästchens in den Äther, wo sie irgendwohin getragen wurde und erst wieder sichtbar wurde, wenn sie sich an einen materiellen Anker heftete. Das meiste davon erst weit von der Stadt entfernt. Niemand konnte wahrnehmen, wie viel Magie aus dieser Kammer kam.
  Sie war ganz unbeobachtet, und darum war es leicht, wenn sie einfach nichts tat.
  Frafa wagte sich nicht mehr an das Kästchen.
  In letzter Zeit hatte sie sich oft zu abgelenkt gefühlt, um den ermüdenden Kampf gegen die Lebensgewalten aufzunehmen. Dennoch hatte sie immer wieder selbst davon gezehrt. Das war ihr einfacher vorgekommen. War es das gewesen, was ihr diese Macht verliehen hatte? Auch jetzt spürte sie ein leises Sehnen, als könne das Kästchen ihr etwas geben, was ihr fehlte, eine Leere in ihrer Essenz füllen.
  Sie widerstand dem Drang.
  Was nutzte eine Macht, die sie nicht kontrollieren konnte, die sie nicht einmal in ihrer eigenen Essenz wahrnahm? Sie musste mehr lernen, und bis dahin mehr aufpassen. Frafa wartete einige Stunden in der Kammer und hielt sich von Leuchmadans Kästchen fern.
  Als sie den Turm der Fei wieder verließ, prallte sie erst einmal zurück. Nicht nur zwei Menschenwachen standen dort, wie sonst, sondern ein halbes Dutzend. Dazu zwei Vampire und ein Nachtalb, zwei Kobolde, eine Nachtmahrsfrau ... Vertreter aller Völker, nicht nur das Dutzend versteckter Gnome, das sonst als Darnamurs Leibwache zusätzlich zu den Menschen hier gestanden hatte und das sie wahrnehmen konnte, seit Bleidan ihren Geruchssinn verändert hatte.
  »Halt!«, sagte ein Mensch. »Wir müssen Euch durchsuchen. Leuchmadans Kästchen darf den Turm nicht verlassen.«
  Frafa trat einen Schritt aus dem Zimmer und hob die Hände. Ihr Kleid saß eng an ihrem Leib. Balgir auf ihrer Schulter zischte.
  »Wo soll ich das Kästchen verstecken?«, fragte sie empört. »Ich hüte es schon seit Mondläufen, und bisher hat niemand mir misstraut.«
  »Bisher hat niemand davon gewusst«, sagte die Nachtmahrsfrau. »Aber wir sind nicht bereit, uns nur auf Darnamurs Wort zu verlassen. Alle Fraktionen des Rats haben Gesandte an alle Zugänge zum Turm geschickt, um genau zu überwachen, dass kein Alb das Kästchen herausschmuggelt.«
  Frafa schüttelte den Kopf und marschierte davon. Darnamur war nicht zu sehen. Vermutlich war er schon zur morgendlichen Ratssitzung gegangen.

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