libelle_klein

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next0510. Kapitel: Gnome oder Tod

Nachdem sein Vertreter Ganoch die Stadt verlassen hat, bespricht Darnamur mit seinen engsten Offizieren das bevorstehende “Prognom”. Im fertigen Roman steht nur noch eine knappe Ankündigung, doch in der ursprünglichen Fassung wurden alle geplanten Maßnahmen ausführlich besprochen.
  Ich habe diese Passagen gelöscht, weil der Leser im Grunde später ja sieht, was passiert, und man das nicht im Detail vorher ankündigen muss. Hier allerdings erfährt man noch ein wenig mehr: Darnamur erklärt, warum er das tut und was er sich dabei denkt. Ich bin davon ausgegangen, dass sich der Leser das auch später noch zusammenreimen kann, selbst wenn ich die Erklärung dazu lösche. Aber wer bisher darüber gegrübelt hat, hier findet er Darnamurs Taktik explizit erläutert:

»Aber wir waren uns einig, dass wir den Respekt der anderen Völker nicht friedlich gewinnen werden«, rief Dranjar hitzig. »Die Goblins respektieren nichts als eine scharfe Klinge.«
  »Sehr richtig«, sagte Darnamur. »Ganoch scheint zu glauben, unser Kampf um Respekt wäre vorüber, die Stadt wäre gewonnen und es ginge nur noch um die Goblins draußen. Aber es ist zu früh, die Waffen aus der Hand zu legen. Im Gegenteil.«
  Er blieb kurz stehen und wandte sich zu seinen Unterführern um. »Ich habe neue Aufträge für euch. Es wird Zeit für ein weiteres Prognom.«
  »Ein was?«, fragte Batha.
  Darnamur grinste. »Einen Einsatz zum Wohl der Gnome. Säuberung, Verfolgung, Verhaftung ... all das klingt mir viel zu düster. Wir brauchen Worte, die ein Ziel zum Ausdruck bringen. Wir kämpfen nicht gegen jemanden, sondern für etwas – für die Gnome! Und da ist es an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen.
  Wir haben am Tag der Messer ein paar Anführer aus dem Weg geräumt, und danach die Goblins gegen die Nachtalben gehetzt. Aber das verschafft den Gnomen keinen Respekt! Wir müssen selbst wieder präsenter werden, den Goblins sozusagen die Klinge aus der Hand nehmen.
  Dranjar, Batha – teilt eure Einheiten ein. Sammelt Informationen. Wir müssen neue Listen erstellen. Ab jetzt schicken wir nicht mehr die Goblins vor – wer bei Nacht schlecht über die Gnome redet, der soll die nächste Nacht nicht überleben. Wir müssen überall sein, niemand darf sich sicher fühlen. Jetzt haben wir die Mittel, selbst Nachtalben und zauberkräftigen Geschöpfen nachzuspüren. Die Völker von Daugazburg müssen lernen, nicht mehr nur die Goblins zu fürchten, sondern allein uns.«
  »Ich weiß nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist«, wandte Batha ein. »In drei Tagen steht ein Heer vor unseren Toren.«
  »Gerade deshalb ist es wichtig, jetzt zu handeln«, sagte Darnamur. »Unsere Goblins sind nicht zuverlässig. Und die anderen Völker sind es gewohnt, dass Goblins in der Stadt marodieren – sie könnten in Versuchung geraten, Hauptmann Hagaz die Tore zu öffnen. Wir haben drei Tage Zeit, um ihnen zu zeigen, dass nichts so schlimm ist, wie sich gegen uns zu stellen. Wenn Hagaz gewinnt und die Stadt einnimmt, können wir Gnome in den Untergrund gehen und uns unsichtbar machen – und so lange Blut vergießen, bis die Stadt uns gehört oder niemand mehr am Leben ist. Sorgt dafür, dass die Völker von Daugazburg das in den nächsten Tagen begreifen – nicht, indem wir es ihnen sagen, sondern indem sie es fühlen. Zeigt ihnen, dass es für sie nur eine Hoffnung auf Frieden und Unversehrtheit gibt: Wenn sie uns Gnome zufriedenstellen!«
  »Das ist monströs!«, rief Batha aus. Sie klang aufrichtig entsetzt. »Das ist zu groß für uns!«
  »Nur wenn wir zaudern«, erwiderte Dranjar. »All unsere Feinde sind zerschlagen – wer will sich gegen uns stellen? Wir werden ihnen nicht die Zeit geben, sich gegen uns zu versammeln!«
  »Sehr richtig.« Darnamur nickte und ging weiter. »Sorgt dafür, dass diese Weisung umgesetzt wird, ohne dass wir sie offen aussprechen müssen. Wir zeigen ein friedliches Gesicht – und einen starken Arm im Dunkeln. Auch gegen die Menschen.«
  »Aber damit bringen wir auch unsere letzten Verbündeten gegen uns auf«, sagte Batha. »Wir brauchen die Menschen, um die Goblins als Krieger zu ersetzen, dass hast du selbst gesagt.«
  »Wir müssen die Vorstadt räumen«, sagte Darnamur. »Und die Menschen werden ihre angestammten Häuser nicht widerspruchslos verlassen. Sie werden aufgebracht sein, und wir müssen dieses Aufbegehren im Keim ersticken. Wir können und einfach nicht erlauben, unsere schwachen Kräfte zu teilen und die schwach befestigte Vorstadt zu verteidigen. Die Mauern von Daugazburg sind hoch, und wir haben genug Platz in der Oberstadt, um alle unterzubringen.«
  Darnamur verstummte einen Augenblick. Sie hatten den Fuß des Turmes erreicht und schritten über den Hof auf einen Palastanbau zu. Goblinwachen standen vor den Türen, und wenn sie erst einmal auf den Korridoren im Inneren waren, würden sie nicht mehr so unbefangen reden können.
  »Aber wir sind behutsam mit den Menschen«, fügte Darnamur hinzu. »Wenn unser ›Prognom‹ gegen Menschen geht, will ich die Namen vorher geprüft haben. Die Freien Menschen sind unsere Verbündeten. Wer in dieser Gesellschaft Ansehen genießt, soll ungeschoren bleiben. Das wird sie umso fester an unsere Seite schmieden und ihnen zugleich zeigen, was passiert, wenn sie uns die Treue kündigen.«
  Sie traten durch das Tor, und Darnamur wandte sich zu seinen Leutnants um und winkte. »Was ist, worauf wartet ihr?«, rief er. »Es ist alles gesagt. Ihr kennt den Auftrag. In den nächsten Tagen trete ich offiziell die Herrschaft an den neuen Rat ab. Bis dahin muss jeder Bewohner von Daugazburg wissen: Gnome oder Tod! Wir wollen ja nicht, dass etwa jemand mit den falschen Vorstellungen im Rat sitzt und uns Ärger bereitet.«

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