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Wer den Roman gelesen hat, kennt sicher Baskons besonderes Talent: Sich neue Feinde machen. Während Baskon also am Himmel auf seine Weise neue soziale Kontakte knüpft, geraten die ursprünglichen Gegner am Boden ein wenig aus dem Blick. Hier erfährt man noch ein wenig mehr über sie.

next05Es wurde kälter, je höher sie auf der Passstraße kamen. Die drei großen Leute ritten vorneweg, während Bellacris die Zwergin und die drei Wichtel sich um das Pony scharten, auf dem sie ihr Gepäck verstaut hatten.
»Wir hätten in den Süden gehen sollen«, murrte Fürst Sukan, der an zweiter Stelle ritt. »Dort hätten meine Leute eine angemessene Eskorte abgegeben.«
»Die Frage ist, ob wir den Unterschied zwischen dieser Eskorte und einem Überfall überhaupt gemerkt hätten«, warf der Elfenkönig Perbias ein, der hinter ihm ritt.
Sukan brauste auf und drehte sich im Sattel um. »Zweifelt Ihr etwa meine Ehre an, Perbias?«, rief er empört.
»Keineswegs«, erwiderte Perbias ungerührt. »Ich schätze Eure Ehre so hoch ein wie die jedes anderen Menschen.«
Sukan spuckte aus. »Ihr müsst es wissen. Immerhin war es Euer Haus, wo Leuchmadans Kästchen als Diebesgut wieder auftauchte.« Er grinste den Elfenkönig an und legte triumphierend die Faust auf den Sattelknauf.
Perbias kniff die Augenbrauen zusammen und drehte sich seinerseits nach den Wichteln um. Sie hatten das Kästchen bei ihm abgeliefert. Und auch wenn es eintausend Jahre her sein mochte, dass es auf der Walstatt von Daugazburg geraubt worden war, ließen gewisse Vorfälle in Keladis den Elfenkönig an der Ehrbarkeit der heutigen Wichtel gleichfalls zweifeln.
Sukan folgte seinem Blick, allerdings achtete er dabei weniger auf die Wichtel als vielmehr auf die Zwergendame mit dem obszön langen Bart, die das Packtier am Zügel führte.
»Na, Langbart – dir ist der Umweg doch grade recht«, rief er Bellacris zu. »In die Berge, und unter dem Schirm deiner Artgenossen.«
Bellacris hob den Kopf, und ihr rotblonder Bart war so steif, dass er sich bei der Bewegung ein Stück von ihrem Brustpanzer hob. »Adlerzwerge«, knurrte sie. »Genauso verkommenes Pack wie die Bedeckung, die Ihr uns im Süden hättet anbieten können, Sukan.«
»Beleidigt meine Ritter nicht ...«, fuhr Sukan auf, aber Gulbert meldete sich nun von vorne zu Wort. Seine Stimme klang müde.
»Wer auch immer wen beleidigt: Wollt ihr dieses Spiel nun die ganze Reise über fortsetzen? Wenn ja, dann habt die Güte, außer Hörweite zurückzufallen und daran zu denken, dass ihr euch zu Verbündeten Leuchmadans macht, wenn ihr Zwist in unsere Gemeinschaft tragt.«
Die Truppe verstummte. Eine Zeitlang hörte man nur noch das Klingen der Rüstungen, den gedämpften Hufschlag, das Schnauben der Pferde und das Keuchen der Wichtel.
»Außerdem«, fuhr Gulbert nach einer Weile fort. »Für die Ehre der stolzen Aarlinger verbürge ich mich. Ich habe ein Bündnis mit ihnen, und sie decken unseren Vormarsch über das Gebirge. Auch das ist ein Grund, warum ich mich für diesen Weg entschieden habe.«
Sie alle blickten kurz auf. Die Aarlinger kreisten über dem höchsten Gipfel, der sich schneebedeckt neben der Passstraße erhob. Sie waren so weit fort, dass Sukan sie nur als kleine Punkte erkennen konnte, doch er zweifelte nicht daran, dass die scharfen Augen der Riesenadler eine jede Bewegung auf der Straße genau verfolgen konnten, und dass ihre gewaltigen Schwingen sie in wenigen Augenblicken hierhertragen konnten, wenn es nötig sein sollte.
Der Anblick der riesigen Vögel hatte Sukan erst in Sorge versetzt. Dann hatte Gulbert ihnen erklärt, dass es sich nicht um wilde Tiere handelte, sondern dass Zwerge auf ihrem Rücken ritten und sie lenkten. Sukan wusste nicht, ob ihn das beruhigen sollte.
Das Pferd unter ihm wurde unruhig und tänzelte ein wenig. Sukan wunderte sich, dass Rosario nach dem Anstieg noch so viel Kraft übrig hatte.
Da hörte er wieder die kratzige Stimme der angeblichen Zwergendame in seinem Rücken: »Trotzdem, diese Aarlinger sind ein schäbiger Stamm von Verrückten. Und schaut Euch mal den Reitvogel an, der da in unserer Nähe kreist: Sieht der nicht aus, wie ein gerupftes Huhn?«
Auf ihre Worte hin blickten sich nun alle um. Bellacris wies seitlich von ihnen zum Himmel, und dort stieß ein Geschöpf auf sie herab, das ganz gewiss kein Aar war. Eine abscheuliche Schimäre mit einem schwer gepanzerten Reiter, dessen Körperbau nichts zwergenhaftes an sich hatte!
»Ein Wardu!«, rief Sukan. »Ein Geschöpf Leuchmadans!«
Im nu wurde es laut um ihn her. Mehrere der Gefährten riefen durcheinander, die Pferde wieherten. Rosario stieg, und Sukan verlor den Halt im Sattel. Langsam rutschte er am Pferderücken hinab, und als er einen gewissen Winkel überschritten hatte, zog seine Rüstung ihn vollends bis zum Boden. Sukan prallte hart auf den Rücken, rang nach Atem und umklammerte immer noch den Zügel.
Er schaffte es, sein Pferd am Durchgehen zu hindern. Mühsam kam er auf die Beine. Nur Perbias saß noch im Sattel, auch Gulbert war abgesessen und beschattete die Augen. Bellacris hinten tat dasselbe.
»Eiderdaus«, sagte sie. »Meine Augen sind nicht für die Ferne gemacht.«
Schon sprang Perbias auf seinem weißen Ross davon. Sukan sah ihm nach und fluchte, als der Elfenkönig in einem Einschnitt verschwand. Sein eigenes Pferd war so unruhig, dass Sukan weder in Deckung gehen noch eine Waffe ziehen konnte.
Klappernd schlugen seine Zähne aufeinander. Grauen kroch in seine Knochen. Sukan lebte an den Grenzen der Grauen Lande, und er wusste die Zeichen zu deuten: Der Wardu stieß auf sie herab!
Er duckte sich hinter das Pferd, blickte auf – gerade rechtzeitig, um, zu erleben, wie die Adlerzwerge auf ihren Angreifer hinabstießen und ihn von der Gruppe fortdrängten.
Sukan atmete auf. Rasch blickte er sich um. Von Perbias lugte nicht mal mehr ein spitzes Ohr aus der Deckung, auch Gulbert hatte sein Pferd halb zwischen die Felsen am Wegsrand geführt. Bellacris kämpfte mit ihrem stämmigen Pony, und die Wichtel brachten sich vor den wirbelnden Hufen in Sicherheit.
Jetzt, wo Rosario sich wieder beruhigte, konnte Sukan eine spöttische Bemerkung doch nicht zurückhalten: »Na, mal sachte, Zwerg! Man mag über Eure Brüder in der Luft ja sagen, was man will: Ihre Reittiere haben sie jedenfalls besser im Griff.«
»Zwergin!«, zischte Bellacris, während sie am Zügel zerrte. »Auch wenn ein Mensch, der sich wie eine zartgliedrige Prinzessin von einem Tier durch die Gegend tragen lässt, Probleme mit dieser Unterscheidung haben mag.«
»Streiten wir nicht«, sagte Gulbert, der wieder auf den Pfad getreten war. »Keiner weiß, wie der Kampf in den Lüften ausgeht, und ob der Wardu zurückkommen mag. Lasst uns rasch weiterziehen.«
»Wir wären besser in den Süden gezogen«, merkte Sukan an, als die Gruppe sich wieder sammelte. »Schon ist es vorbei mit der Heimlichkeit unserer Reise, und Verstärkung haben wir auf dieser Route nicht zu erwarten.«

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