Die Moorleiche
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  Ein Pfeil schlug in den Hinterkopf der Sumpfleiche, mit einem Geräusch wie bei einer Strohscheibe. Die Spitze trat am Gesicht wieder aus, denn Haut, Fleisch und Knochen waren bei diesem Wesen schon zu einer kompakten, schwammigen Masse verschmolzen. Das Geschöpf nahm die Verletzung mit einem Kopfnicken hin, das die Wucht des Pfeilschusses erzwang.
  Jelais schwitzte und griff mit fahriger Bewegung nach dem nächsten Pfeil. Wie konnten sie dieses Ungeheuer verletzen? Sie hatte nicht mit einem solchen Kampf gerechnet. Mit Pfeilen richtete sie keinen Schaden an und auch über ihren Dolch würde der Untote nur ... Außerdem hätte sie um ein Haar ihre eigene Gefährtin getroffen, die viel zu nah am Gegner war.
  Sie lief auf den Illusionisten zu: »Das Lampenöl!«, rief sie und Marwan verstand. Er wühlte in seinem Bündel, und als die Elfe ihn erreichte, hatte er den kleinen Behälter hervorgezogen. Durch das Rufen war der Untote aufmerksam geworden und wandte sich seinen beiden anderen Gegnern zu.
  Jelais wickelte ein Tuch um einen Pfeil und tränkte es mit Öl.
  »Warte«, hauchte der Illusionist mit Blick auf die vor Nässe triefende Gestalt von Thargunitoths Kreatur. Die beiden trennten sich, um die plumpe Moorleiche zu täuschen.
  Berna stand erneut vor dem Monster lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Während sie ein weiteres Mal versuchte, die Stange fest auf der Brust der Leiche zu platzieren, eilte der Illusionist von hinten herbei und besprengte den Rücken der Kreatur mit dem restlichen Lampenöl. Die Flasche hatte jedoch eine enge Auslassöffnung und ließ sich nicht zerbrechen, so dass Marwan viel zu lange brauchte.
  Die Moorleiche wirbelte herum, eine schwerfällige Bewegung, aber zu schnell für den schlaksigen Zauberer. Mit einem machtvollen Schlag traf der Handrücken des Geschöpfs Marwans Gesicht und schlug seinen Kopf nach hinten. Der Illusionist fiel auf den Rücken und blieb reglos liegen, während das Ungeheuer sich nach weiteren Gegnern umsah.
  Der brennende Pfeil der Elfe traf und feine Flämmchen züngelten über den Rücken des Geschöpfes, Wasser zischte und verdampfte. Die Kreatur drehte sich erst einmal, ignorierte den Treffer und ging abermals zum Angriff über.
  Jelais stieß entsetzt die Luft aus. Marwan war getroffen und das Feuer war wirkungslos.
  Jetzt konnten sie weder fliehen noch kämpfen.
  Tatsächlich schien es so, als würden die Flammen das wenige Lampenöl verzehren und dann verlöschen. Aber als die Haut des Untoten unter der Hitze aufplatzte, fand das Feuer immer neue Nahrung und endlich züngelten kleine gelbe Flammen überall aus dem Rücken des Ungeheuers, erloschen, um an einer anderen Stelle neu aufzulodern.
  Aus welchem Loch auch immer Thargunitoth diese Moorleiche erweckt hatte, irgendetwas in dem untoten Körper war brennbar. Durch das aufgesogene Wasser stand die Leiche nicht in helllichten Flammen, doch es konnte den Brand nicht löschen.
  Endlich wurde das Monster aufmerksam und taumelte unschlüssig hin und her, während Berna weiterhin mit ihrem Stab gegen den verformten Körper drückte und das Wesen tiefer in den Sumpf schob. So sprang der Untote nicht in den Flussarm, sondern in einen morastigen Pfuhl in seiner Nähe. Das erstickte die Flammen und stinkender Qualm blieb zurück, der sich mit den dünnen Nebelschwaden vermischte und in den Augen der Frauen biss.
  Mit hilflos rudernden Armen strebte die Kreatur zurück zum Ufer, aber da war kein Halt. Berna und Jelais beobachteten misstrauisch, wie das Wesen Finger um Finger tiefer sank. Allerdings war der Tümpel nicht tief genug, um ihren Feind vollends zu schlucken.
  »Was meinst du, kommt er da raus?«, fragte die Gauklerin ängstlich. Sie war erschöpft von dem Kampf und ihr Atem ging keuchend.

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