Die Orks
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  Auch Jelais wurde zunehmend unruhiger.
  Als sie wieder einmal zur nächsten Bodenwelle vorgelaufen war, erstarrte sie. Da war eine Bewegung vor ihnen! Sie griff nach dem Bogen, aber bei dieser Witterung war die Waffe nutzlos: Der Schaft war sicher in einem gewachsten Tuch eingeschlagen, während die Sehnen in einem abgedichteten Kästchen an ihrer Seite ruhten - Nässe machte das Material spröde und konnte den Leim lösen.
  Also blieb ihr bloß der lange Dolch gegen die beiden Gestalten, die vor ihnen in einer Mulde lagerten!
  Die Elfe drückte ihren Rücken gegen einen Stamm und passte ihre Körperhaltung so geschmeidig den natürlichen Formen an, dass ihre Umrisse beinahe mit der Umgebung verschmolzen. Mit einer Hand ließ sie ihr Bündel zu Boden gleiten, um bessere Bewegungsfreiheit zu haben.
  Obwohl ihre Gegner in Deckung blieben, nahm die Elfe Einzelheiten wahr: Sie erkannte Helme aus geschwärztem Metall und hörte Waffen aneinanderschlagen bei jeder unbedachten Bewegung der muskelbepackten Körper.
  Ohne Zweifel: Vor ihnen lauerten Orks. Und jetzt, wo Jelais Bescheid wusste, roch sie sogar ihre Gegner über die Distanz von fünfzig Schritten hinweg, wie man es sonst nur von Ogern hörte.
  Sie hatte nur ihren Dolch, aber wenn sie heranschlich und den Feinden in den Rücken fiel, konnte sie ...
  Ein Zischen schreckte sie aus ihren Gedanken.
  Jost war an ihre Seite gekrochen, bäuchlings über den nassen Waldboden und geschützt vom Unterholz. Den Fellmantel hatte er etwas an sich gerafft. An einigen Stellen wurden die Pelze sichtbar, und so schien eine kleine Rattenschar jeder Bewegung des Fallenstellers zu folgen.
  Erschreckt zuckte die Elfe zusammen und ihre kämpferischen Gedanken erstarben.
  Wie waren sie überhaupt aufgekommen?
  »War unaufmerksam!«, hauchte der Führer. »Haben uns gehört, aber schlagen wir jetzt unauffällig einen Bogen um sie, kommen wir aus ihrer Reichweite, bevor sie's merken. Müssen nicht gegen die Schwarzpelze kämpfen!«
  »Es - es sind nur zwei«, erwiderte Jelais leiser werdend, »wir müssen - wir können sie nicht frei hier herumlungern lassen.«
  Sie stotterte und wusste gar nicht, weshalb plötzlich das Blut so wild in ihren Adern pochte. Dies war nicht der übliche Jähzorn, der sonst schon einmal über sie kam und den ihre Familie als Fluch ansah. Aber was sie nun empfand, war diesem Jähzorn sehr ähnlich.
  Dann riss sie sich zusammen und schlich mit ihrem Führer zu den beiden anderen zurück.
  Dabei zitterte die Elfe vor unterdrücktem Zorn.
  Im Schutz der Bodenwelle schlugen die vier einen großen Bogen, dann führte Jost sie auf einem gewundenen Pfad durch ein dichtes Haselgehölz. Während Jelais darauf achtete, dass ihre Begleiter keine Zweige brachen, verwischte der Fallensteller hinter ihnen die Spuren.
  »Haben wir Glück, finden sie uns nicht mehr. Ist ein weiter Weg, wenn man diese Sträucher umgehen will. Erreichen die Hütte aber nicht mehr heute Abend. Eine Nacht im Wald ...«
  Marwan zuckte zusammen, aber Jost hakte vertraulich bei ihm unter und zuckte mit den Schultern: »Ist aber nicht meine erste! Habe noch einen Warmmacher dabei, und wir werden das schon überstehen.«
  »Und wenn wir Pech haben, überraschen uns die Schwarzpelze im Schlaf!«, warf Jelais grimmig ein.
  »Was willst du tun?«, meinte Jost. »Seid nicht eben schwer bewaffnet, und hier im Wald gibt's keine Hilfe. Der Herr von Binsböckel und auch die Männer des Barons selbst haben schon nach den Strauchdieben gejagt. Verstecken sich hier, seit sie vor Wehrheim weggetrieben wurden. Sind aber feige.«
  »Mögen sie im Sumpf verfaulen!«, warf Jelais hart ein.

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